"Mein Partner ist in letzter Zeit so distanziert. Könnte dies Bindungsangst sein?"
"Wie kann ich meine Verlustangst überwinden?"
"Mein Partner ist ein vermeidender Beziehungstyp und ich ein ängstlicher. Hat unsere Beziehung eine Chance?"
Scrollt man zum Thema Beziehungen durch Social Media, kommt man an solchen Fragen kaum vorbei. Alle Welt scheint gerade über Beziehungstypen, Bindungs- und Verlustangst zu reden – zumindest in meiner Welt der Paar- und Beziehungscoaches.
Hintergrund ist die Bindungstypenlehre nach John Bowlby und Mary Ainsworth und ihre Auswirkungen auf unser Beziehungsleben im Erwachsenenalter. In meinem letzten Blogpost "Verlust- und Bindungsängste überwinden: Die Rolle der verschiedenen Beziehungstypen" habe ich bereits darüber geschrieben. Am besten du springst jetzt kurz rüber, liest den Artikel und kommst danach wieder hierher zurück.
Ich habe etwas Bauchweh dabei, der Bindungstheorie in meiner Arbeit als Beziehungscoach allzu viel Raum zu geben. Warum?
Immerhin ist es eine der am besten belegten psychologischen Theorien. Und sie gehört zum Grundlagenwissen eines jeden Psychologen, Paartherapeuten und Beziehungscoachs.
Fakt ist: Menschen mögen Typisierungen. Wir stecken andere und uns selbst gern in Schubladen. Denn das gibt uns das Gefühl, etwas mehr Ordnung ins Chaos zu bringen. Eigentlich keine schlechte Sache.
Es ist also menschlich und nachvollziehbar, wenn du dich fragst, welcher Beziehungstyp dein Partner ist oder woran du Bindungsfähigkeit erkennst. Dennoch rate ich dir, hier achtsam zu sein. Denn solche Typisierungen haben auch einen Haken. Im Folgenden stelle ich dir drei Fallstricke vor, damit du zukünftig erkennst, wenn du darüber stolperst.
Fallstrick Nummer Eins: Du denkst, etwas stimmt nicht mit dir.
Wenn du dich als einen unsicheren Bindungstyp identifizierst, könntest du denken, etwas stimmt nicht mit dir. Du könntest denken, dass DU das Problem in eurer Beziehung bist. Du könntest denken, dass du anders denken, fühlen und handeln solltest.
Doch ist das wirklich so?
Stattdessen könntest du deine Gefühle auch stets als wahr und zuverlässig betrachten. Du könntest deiner eigenen inneren Weisheit vertrauen.
Was wäre dann anders?
Dann würdest du etwas sagen, wenn du dich unwohl fühlst bei dem, was dein Partner sagt oder tut. Dann würdest du deine Bedürfnisse, zum Beispiel nach Ruhe und Entspannung, nicht mehr vernachlässigen. Dann würdest du klare Grenzen setzen.
Du würdest aufhören, deine wundervolle Einzigartigkeit in Frage zu stellen.
Fallstrick Nummer Zwei: Du gibst deinem Partner die Schuld für eure Beziehungsprobleme.
Stell dir vor, du erkennst, dass dein Partner ein unsicherer Bindungstyp ist, nicht selten ein vermeidender Beziehungstyp. Unbewusst könntest du ihm nun die Schuld an euren Beziehungsproblemen geben. Er ist das Problem. Er muss etwas ändern und nicht du.
Die Gefahr dabei?
Damit gibst du deine Selbstverantwortung zum Gelingen eurer Beziehung ab. Und leider auch ein Stück Macht. Gefühle von Ohnmacht und Kontrollverlust folgen. Und diesen Gefühlen folgen nicht selten Wut und Aggression.
Fallstrick Nummer Drei: Du tolerierst toxische Verhaltensweisen in einer Beziehung zu lang.
Falls du deinen Partner als einen unsicheren Bindungstypen identifiziert hast, könnte auch Folgendes passieren:
Du denkst, er könne ja nichts dafür, dass er so eine schwere Kindheit hatte oder dass seine Ex ihn so verletzt hat. Du nimmst ihn in Schutz.
Doch gleichzeitig gibst du dir vielleicht nicht den Schutz, den DU eigentlich brauchst. Du bleibst viel zu lang in einer toxischen Beziehung oder ziehst immer wieder den gleichen Typ Mann an, der dir nicht guttut.
Statt dir also klar einzugestehen „Mein Partner verletzt mich.“ oder „Dieser Mann tut mir nicht gut.“ fragst du dich vielleicht:
„Warum mache ich immer wieder Dinge, die meinen Partner dazu bringen, sich so zu verhalten?“
„Warum bin ich so sensibel?“
„Warum lasse ich mich immer wieder von ihm triggern und bekomme meine Wut nicht in den Griff?“
Hast du dich jemals unsicher in deiner Beziehung gefühlt oder etwas Schmerzhaftes erlebt und keine Grenze gezogen? Angenommen, du würdest darauf vertrauen, dass deine Gefühle wahr und wertvoll sind, wie hättest du dann reagiert?
Die Bindungstypenlehre ist auch hilfreich
Nachdem ich dir ein paar Fallstricke aufgezeigt habe, möchte ich die durchaus positiven Seiten der Bindungstypenlehre nicht außer Acht lassen. Diese darfst du gern FÜR dich nutzen.
Typisierungen, Persönlichkeitstests und andere Schubladen können helfen, Verständnis zu fördern. Verständnis für die Unterschiedlichkeit und Neurodiversität von Menschen. Das wiederum kann dir helfen, deinem Partner zukünftig mit mehr Mitgefühl zu begegnen.
Aber bitte denke hier an Fallstrick Nummer Drei: Es gibt manchmal auch Dinge in einer Beziehung, die nicht tolerierbar sind.
Typisierungen können dir helfen, zu erkennen, dass es nicht an dir liegt, wie sich dein Partner verhält. Es kann durchaus sehr entlastend wirken, wenn du erkennst, dass du nicht das Problem bist.
Doch erinnere dich hier an Fallstrick Nummer Zwei: Auch wenn du nicht das Problem bist, kannst du dennoch etwas ändern.
Was ich damit sagen wollte ...
Suche nicht nach dem allwissenden Experten, nach der Antwort auf all deine Fragen oder nach der Superstrategie, um dich oder deinen Partner zu reparieren.
Was macht gutes Coaching aus?
Du kannst hier etwas lernen UND dabei glauben, nichts sei falsch mit dir. Du fühlst dich nicht repariert, sondern gestärkt.
Du wirst den Unterschied spüren.
Über die Autorin
Hi, ich bin Katrin Mähler. Als Psychologin und Paartherapeutin zeige ich Frauen, wie sie wieder Erfüllung in ihrer Partnerschaft finden können.
Mit meinem Mann und meinen beiden Kindern lebe ich in meiner Wahlheimat Dresden.
Ich liebe Kaffee und Schokolade und bin bekennender Serien-Junkie.
Mehr zu meiner 1:1 Paarberatung OHNE deinen Partner erfährst du hier.
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