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Verlust- und Bindungsängste überwinden: Die Rolle der verschiedenen Beziehungstypen


 


Mara ist seit vielen Jahren verheiratet. Doch sie fühlt sich einsam in ihrer Beziehung.


Ihr Mann arbeitet sehr viel. Wenn er dann mal frei hat, sitzt er stundenlang am Handy und ist nicht wirklich ansprechbar. Mehrere Abende pro Woche trifft er sich mit seinen Freunden. An Zweisamkeit mit seiner Frau scheint er kein Interesse mehr zu haben.


Mara ist verzweifelt und hat das Gefühl, dass sie beide nichts mehr verbindet. „Vielleicht wäre ich allein besser dran?“, fragt sie sich oft.


Andrea hat vor sechs Monaten über eine Dating-App einen tollen Mann kennengelernt. Sie genießt jede Minute mit ihm.


Doch in letzter Zeit scheint er sich immer mehr zurückzuziehen. Er reagiert verspätet auf ihre Nachrichten und findet Ausreden, warum er sich nicht mit ihr treffen kann.


Andrea wird immer unruhiger. Ständig kontrolliert sie ihr Handy, ob er ihr geschrieben hat. Seine Social-Media-Aktivitäten behält sie gut im Blick. Ihre Gedanken kreisen nur noch um ihn: Hat er eine andere? Findet er mich nicht mehr attraktiv genug?


Wenn er sich dann endlich wieder meldet, kann sie ihren Ärger kaum unterdrücken und macht ihm unterschwellig Vorwürfe.


Beide Geschichten haben etwas gemeinsam:


Das Verhalten beider Paare lässt sich überraschend einfach anhand der Bindungstheorie erklären.




John Bowlby und Mary Ainsworth beschreiben in dieser Theorie, dass sich die Beziehung von Kindern zu ihren Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren auf ihre weitere emotionale Entwicklung auswirkt.


Sie unterscheiden drei Bindungstypen:

  • das sicher gebundene Kind,

  • das unsicher-ambivalent gebundene Kind sowie

  • das unsicher-vermeidende Kind.


Selten kommt es vor, dass zu gleichen Teilen unsicher-ambivalente und unsicher-vermeidende Verhaltensmuster gezeigt werden. Dann spricht man vom unsicher-desorganisierten Bindungstyp. Dieser Typ ist allerdings sehr selten und hat oft traumatische Erfahrungen in der Kindheit erlebt.


In der folgenden Tabelle findest du die vier Bindungstypen und ihre Eigenschaften noch einmal auf einen Blick zusammengefasst:



sicher


unsicher-ambivalent

unsicher-vermeidend

unsicher-desorganisiert

Bindungs-verhalten

stark

unsicher

gering

widersprüch-lich

Erkundungs-verhalten

stark

gering

stark

uneinheitlich

Ursache

zuverlässige Bezugsperson

ambivalente Bezugsperson

unzuverlässige Bezugsperson

traumatische Erfahrung

Folgen

angemessen Gefühle äußern können, wachstums-orientiert

hohe Ängstlichkeit

Verbergen von Gefühlen

schwere psychische Probleme




Wie sich die Bindungstypen auf unsere Beziehungen im Erwachsenenalter auswirken


Besonders spannend für uns Paartherapeuten:


Das erlernte Bindungsverhalten unserer Kindheit wirkt sich auch auf unsere Beziehungen im Erwachsenenalter aus. Wenn du diesen Zusammenhang verstehst, fällt es dir leichter, eigene Verlust- und Bindungsängste zu überwinden oder auch einen Partner mit diesen Ängsten besser zu verstehen.


Wenn wir die Bindungstypen aus der Kindheit auf Partnerschaften im Erwachsenenalter übertragen, dann sprechen wir von sogenannten Beziehungstypen.


Dabei werden drei Beziehungstypen unterschieden:

  • der sichere Beziehungstyp,

  • der ängstliche Beziehungstyp und

  • der vermeidende Beziehungstyp.


Der sichere Beziehungstyp fühlt sich mit Nähe wohl und ist in der Regel liebevoll und zugänglich. Seine Eltern waren meist feinfühlig und verständnisvoll und es konnte daher eine sichere Bindung zu ihnen entwickelt werden. Er hat kaum Verlust- oder Bindungsängste.


Der ängstliche Beziehungstyp sehnt sich sehr nach Nähe und neigt dabei zu klammernden Verhalten und Eifersucht. Paarberater sprechen hier von sogenannter Verlustangst. Die Eltern dieses Typs waren manchmal zugänglich und manchmal nicht. Daher entwickelte sich ein unsicher-ambivalentes Bindungsverhalten mit einer unterschwelligen Angst davor, die Beziehung zu verlieren.


Dagegen hat der vermeidende Beziehungstyp ständig Sorge, seine Unabhängigkeit zu verlieren und geht zu viel Nähe aus dem Weg. Häufig spricht man hier von sogenannter Bindungsangst. Die Eltern dieses Typs waren eher distanziert und rigide. Dadurch entwickelte sich in der Kindheit ein unsicher-vermeidendes Bindungsverhalten. Distanz diente als Schutzstrategie, um die (unsichere) Beziehung nicht mehr zu brauchen und unabhängig zu sein.


Das verbindende Elemente der Verlust- und Bindungsangst ist die Angst. Diese führt häufig zu starken Konflikten in Beziehungen.


Die oben genannten Bespiele von Mara und Andrea zeigen Männer des vermeidenden Beziehungstyps mit Bindungsängsten - ein Klassiker.


Am Rande erwähnt sei noch der sogenannte ängstlich-vermeidende Beziehungstyp. Dieser entwickelte in der Kindheit ein unsicher-desorganisiertes Bindungsverhalten – oft aufgrund von traumatischen Erfahrungen. Allerdings ist dieser Typ sehr selten.



Weitere Einflüsse auf unser Bindungsverhalten in Beziehungen verstehen, um Verlust- und Bindungsängste zu überwinden


Etwas komplexer wird die Angelegenheit allerdings noch:


Neben unserem primären Beziehungstyp können wir auch Anteile der anderen Beziehungstypen zeigen. Denn wir passen uns unserer Umgebung an.


Nicht allein unser in der frühen Kindheit erlerntes Bindungsverhalten ist entscheidend, sondern ebenso unsere Erfahrungen in vergangenen Partnerschaften sowie unsere Sozialisation.


Wenn du zum Beispiel in deiner Kindheit ein sicheres Bindungsverhalten erworben hast aber später in deiner Beziehung betrogen wurdest, ist es nachvollziehbar, dass du dann vermehrt unsichere Verhaltenstendenzen des ängstlichen oder vermeidenden Typs zeigst: Eifersucht, Misstrauen, klammerndes oder distanziertes Verhalten, nervenaufreibende Streite. Das alles spiegelt das verloren gegangene Gefühl von Sicherheit und Vertrauen in der Beziehung wider.


Aufgabe einer Paarberatung ist es dann zum Beispiel, dadurch entstandene Verlust- und Bindungsängste überwinden zu helfen, indem durch gezielte Maßnahmen und Techniken das Gefühl von innerer Sicherheit langsam wieder aufgebaut wird.


Zudem tragen unsere patriarchalische Sozialisation und der moderne Feminismus dazu bei, dass Frauen heutzutage sehr sensibel auf Anzeichen einer vermeintlichen Unterdrückung reagieren. Der Kampf um Unabhängigkeit und Gleichberechtigung kann zu Verhaltensweisen führen, die dem vermeidenden Beziehungstyp mit Bindungsangst zugeordnet werden.


Allgemein werden in unserer westlichen Gesellschaft Werte wie Unabhängigkeit und Freiheit sehr begrüßt. Ich gebe zu, dass ich stets stolz auf meine Kinder war, wenn sie nur wenig fremdelten und sich problemlos von mir lösen konnten. So wird Unabhängigkeit positiv verstärkt und vermeidendes Bindungsverhalten mit Bindungsängsten gefördert.



Sicheres Bindungsverhalten ist erlernbar: Was du tun kannst, um Verlust- oder Bindungsängste zu überwinden


Möchtest du mehr über deinen Beziehungstyp, seine Ursachen und Folgen erfahren? Dann lege ich dir einen Buch-Klassiker zum Thema ans Herz: „Warum wir uns immer in den Falschen verlieben: Beziehungstypen und ihre Bedeutung für unsere Partnerschaft“ von Amir Levine und Rachel Heller.


Das Buch "Vom Jein zum Ja!" von Stephanie Stahl beschäftigt sich ebenso intensiv mit Bindungsängsten und bietet zudem einen etwas weiterentwickelten Blick auf die Thematik.


Halte dich aber nicht zu lange bei der Ursachenforschung deines Beziehungstyps auf. Warum?


Weil du die Vergangenheit eh nicht mehr rückgängig machen kannst. Außerdem besteht die Gefahr, dass du jemand anderes für deine heutigen Beziehungsprobleme die Schuld gibst.


Doch das ist eine Sackgasse. Deine Verlust- oder Bindungsängste zu überwinden gelingt am besten, wenn du an dieser Stelle die Verantwortung für dein Leben nicht abgibst.


Lerne stattdessen, wie du selbst mehr innere Sicherheit kreieren kannst und unsichere Verhaltensweisen in deiner Beziehung abbaust.


Der erste Schritt: Fang an, manipulative Techniken in deiner Partnerschaft zu erkennen und zu unterlassen.


Sicherheit heißt vor allem Offenheit und Transparenz. Hier findest du die drei beliebtesten Manipulationstechniken von Frauen. Erkennst du dich darin wieder?


Sicheres Bindungsverhalten zeigt sich hingegen so:


  • Du weißt, dass Konflikte zu einer Partnerschaft dazugehören und gehst ihnen nicht aus dem Weg.

  • Du stellst deine Beziehung nicht ständig in Frage.

  • Du bist wenig triggerbar. Du kannst Beziehungskonflikte ruhig und souverän meistern ohne große Beziehungsdramen voller Wut und Aggression.

  • Du kannst deine Wünsche und Bedürfnisse offen äußern und um Hilfe bitten.

  • Du kannst Grenzen setzen und auch mal Nein sagen.


Merke! Du bist deinem erworbenen Bindungstyp nicht hilflos ausgeliefert. Sicheres Bindungsverhalten ist eine Fähigkeit, die du erlernen und trainieren kannst.


So hilft es zum Beispiel, wenn du regelmäßig deine Gefühle und Gedanken anderen vertrauten Menschen mitteilen kannst, ohne dafür bewertet oder verurteilt zu werden. Sollte das in deiner Partnerschaft aktuell nicht möglich sein, suche dir diesen intensiven Austausch so oft es geht mit anderen Menschen. Dein Gehirn darf so die Erfahrung machen, dass Nähe keine Gefahr bedeutet. Langsam kreierst du so das Gefühl von innerer Sicherheit aus dir selbst heraus. Dein so neu erlerntes sicheres Bindungsverhalten wird sich wiederum positiv auf deine Partnerschaft auswirken.


Wenn du vor allem Angst vor dem Verlust deiner Beziehung hast, helfen auch alle Aktivitäten, die dein Gefühl von Unabhängigkeit fördern. Auch wenn es dir zunächst schwerfallen mag, weil es dich vielleicht etwas Mut kostet: Unternimm öfter mal etwas allein. Pflege und zelebriere damit vor allem deine Selbstfürsorge und Selbstliebe.


Natürlich kann dich auch Paarberatung oder Beziehungscoaching gut unterstützen, Verlust- und Bindungsängste zu überwinden und eine glückliche Beziehung zu gestalten.


Wenn du Lust hast, lies nun noch meinen Blogartikel "Bindungsstile und Beziehungstypen – Die Gefahr beim Schubladendenken". Da erkläre ich, warum ich der Bindungstheorie in meiner Arbeit eher wenig Raum gebe und warum auch du dich hier nicht verrennen solltest. Denn obwohl das Thema dich vielleicht gerade brennend interessiert: Halte dich nicht allzu lang damit auf, herauszubekommen, welcher Beziehungstyp dein Partner und du seid. Denn dieses Schubladendenken hat auch ein paar Fallstricke. Welche, erfährst du hier.




Über die Autorin





Hi, ich bin Katrin Mähler. Als Psychologin und Paartherapeutin zeige ich Frauen, wie sie wieder Erfüllung in ihrer Partnerschaft finden können.


Mit meinem Mann und meinen beiden Kindern lebe ich in meiner Wahlheimat Dresden.


Ich liebe Kaffee und Schokolade und bin bekennender Serien-Junkie.


Mehr zu meiner 1:1 Paarberatung OHNE deinen Partner erfährst du hier.


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